Diskussionsrunde

Italien unter Meloni: Rechtswende, Populismus oder resiliente Demokratie?

Der Sieg des rechten Lagers bei den italienischen Parlamentswahlen 2022 alarmierte Demokraten in ganz Europa. Doch handelt es sich bei der Wahl von Giorgia Meloni, Italiens erster Ministerpräsidentin, um einen Rechtsruck oder um einen ganz normalen Regierungswechsel? Droht gar eine Zersetzung der Demokratie, wie in Ungarn oder Polen?

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Dr. Andrey Demidov
Project Manager

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Diese Fragen stellten wir uns in der neuesten Ausgabe unserer Reihe „Demokratie im Stresstest“, die das Projekt New Democracy gemeinsam mit dem Zentrum Liberale Moderne ausrichten. Die Veranstaltung eröffneten die Politische Philosophin Roberta Astolfi und der ehemalige WELT-Chefredakteur und langjährige Italienkenner Thomas Schmid.

Melonis Position ist gefestigt

Zwei Entwicklungen lassen sich feststellen: Giorgia Meloni sitzt nach zwei wichtigen Regionalwahlen fest im Sattel – in Latium und in der Lombardei hat ihre Partei klar gewonnen. Und bisher unternimmt die Regierung keine Anstrengungen aus dem „populist playbook“ – freie Medien, die Zivilgesellschaft oder die Gerichte werden nicht angegriffen. Anders als die meisten Rechtspopulisten steht sie zur Westbindung, zur NATO, unterstützt die Ukraine und die EU. Handelt es sich also um eine ganz normale, konservative Regierung in einem Land, das sich nicht ausreichend mit seiner faschistischen Vergangenheit beschäftigt hat?

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Disziplinierung oder Techno-Populismus?

Warum regiert die Regierung so unauffällig? Zwei Thesen wurden diskutiert. Die eine Seite geht von einer Disziplinierung durch (funktionierende) Institutionen aus. Die Regierung muss nun liefern – nicht nur hohe Wahlergebnisse erzeugen. Als Regierung muss man sich an Verträge halten, Zusagen einhalten, die Verwaltung macht rechtskonforme Gesetzesvorschläge, die Wirtschaft muss laufen und die Öffentlichkeit schaut zu – all das schränkt die Handlungsmöglichkeiten Melonis ein.

Die andere Seite hielt dagegen: Melonis Regierung sei Ausdruck eines breiteren Phänomens des Techno-Populismus, einer Verbindung von Populismus und Technokratie. Meloni und ihre Partei hätten es von Anfang an darauf angelegt, durch Mitregierung zu gestalten, nicht durch Populismus aus der Opposition. War der Populismus also nur Wahlkampf?

Eine starke Zivilgesellschaft macht Hoffnung

Die Stärke der Rechten in Italien, darüber waren sich die Teilnehmenden einig, ist eigentlich eine Schwäche der Linken. Der konservative Block ist trotz gelegentlicher Streitigkeiten deutlich geeinter als die Linke. Hinzu kommt eine hohe Zahl der Nichtwählenden und die vor allem auf der Linken empfundene Repräsentationslücke. Viele Menschen haben Schwierigkeiten, ihre politische Position im Parteienspektrum wiederzufinden.

Aber: Italien hat eine breite, aktive Zivilgesellschaft, eine vitale Kommunalpolitik, und Intellektuelle mischen sich wieder zunehmend in politische Debatten ein, anstatt im Elfenbeinturm zu verharren. Das alles macht – neben funktionierenden Institutionen und der starken EU- und Westbindung der Regierung – Hoffnung auf eine resiliente Demokratie in Italien.